Julia Marx: Künstlerisches Planungs- und Produktionsbüro

Jahreszeitenuhr Schottwien

von Renate Kordon

Schottwien: Jahreszeitenuhr von oben

Schottwien ist randvoll mit Geschichten. Die längste Zeit war der kleine Ort Durchgangs- wie Grenzstation, Ausgangs- und Endpunkt für Reisende. Die besondere Lage am Fusse eines der grössten Hindernisse zwischen Wien und Süden, des Simmerin, machte es über seine engen Grenzen hinaus bekannt - bis die Brücke eine ganz neue Lage schuf. Die Autobahnbrücke bedeutete das Aus für den Durchzugsverkehr: ein massiver Einschnitt, auch wenn sie 131 Meter über dem Ort schwebt.
Renate Kordon nutzte die Situation des Ortes und die Faktoren Zeit, Licht und Schatten. Sie hat ein Mass für die Zeit gewählt, das nicht nach der kleinsten Einheit chronologischer Abfolgen sucht, sondern das natürliche Phänomen der Jahreszeiten aufgreift und gliedert. Sie setzt dem Chronos den Kairos, die Sonnwende entgegen. Mittels Licht und Schatten hält sie genau diese Momente fest, bannt sie auf die Hauptstrasse von Schottwien, die nun mit der Autobahnbrücke Zifferblatt und Zeiger einer überdimensionalen Sonnenuhr bildet. Die exakten Abschnitte der jeweiligen Schattenzonen hat die Künstlerin über Jahre vor Ort beobachtet, vermessen und mit reflektierenden bunten Punkten markiert, die den Fluss des Lebens in Bewegung bringen, die der Schattenzone neue Kraft geben, die den Ort beleben. Renate Kordon hat eine streng formale Lösung für eine topografisch markante Stelle entwickelt. Die schlichte Markierung nimmt Bezug auf ein hochkomplexes kosmisches Phänomen und setzt ein Zeichen, das die Einzigartigkeit dieses Platzes als "Ort unter der Brücke" visualisiert. Mit den farbeigen Akzenten auf der Fahrbahn konnotiert die Künstlerin den Schatten neu und gibt Schottwien zusätzlich durch die angezeichneten Blickachsen am ehemaligen Pulverturm einen Hauch von Internationalität zurück. (Aus: Renate Kordon: Jahreszeitenuhr)